Studien zur Anwendung der Rechtsmilchsäure

Belastbare Studien zur inneren (oralen) Anwendung von Milchsäure/Laktat, mit Fokus auf rechtsdrehende L(+)-Milchsäure („Rechtsmilchsäure“). Wichtig vorab: Viele Humanstudien testen Laktat gemischt (D/L) oder laktatreiche Lebensmittel statt isolierter L(+)-Milchsäure. Wo der Isomer-Typ angegeben ist, vermerken wir es.

Aktuelle Humanstudien (orale Aufnahme)

  • Orales Laktat & Magenentleerung/Appetit (randomisiertes Crossover) – 10 gesunde Männer: orale Gabe von D/L-Natriumlaktat (vs. i.v. Laktat/Placebo) verlangsamte die Magenentleerung, senkte Ghrelin, erhöhte GLP-1; ad-libitum-Nahrungsaufnahme unverändert. Zeigt einen direkten GI-Effekt von oralem Laktat. Clin Nutr 2022 (Korrigendum 2024). 1

  • Sauerteigbrot reich an Milchsäure (randomisiert, doppelblind, Crossover, n=44) – „Whole-meal sourdough“ (laktatreich) vs. Hefebrot: mehr Sättigung, langsamere Magenentleerung, günstigere frühe Glukose-/C-Peptid-Antwort, keine signifikante Reduktion der ad-libitum-Energieaufnahme. Postulierte Wirksubstanz: (L-)Milchsäure aus der Fermentation. Curr Res Food Sci 2024/25. 2

  • Orales Natriumlaktat & Blutlaktat (Pilot, n=5, 15 Sitzungen)steigerte Blutlaktat nicht und verursachte moderate bis schwere GI-Nebenwirkungen (u. a. Erbrechen/Diarrhö). Schluss: orale Na-Laktat-Gabe ungeeignet, um systemische Laktat-Effekte zu studieren. J Appl Physiol 2024. 3

  • Orales Laktat als Sport-Supplement (randomisiertes, placebokontrolliertes Crossover-Pilot-RCT, n=15)keine ergogenen Effekte auf VO₂peak, Schwellen oder 20-min-Zeitfahren. (Produkt enthielt Laktat; Isomer nicht spezifiziert.) 2024. 4

  • Calcium-Laktat & Leistung/Säure-Basen-Status (randomisiert) – pH/Bicarbonat stiegen leicht, keine Performance-Verbesserung; GI-Verträglichkeit erfasst. (Handelsüblich meist Calcium-L-laktat.) J Funct Morphol Kinesiol 2024. 5

Lebensmittel/Ernährung (laktatreich bzw. milchsäure-acidifiziert)

  • Acidifizierte Säuglingsnahrung (teils mit L(+)-Milchsäure) – Historisch und in neueren Übersichten: säureacidifizierte Formeln (chemisch mit L(+)-Milchsäure oder durch Fermentation) hemmten pathogene Keime; frühe/ältere RCTs berichten weniger Durchfälle/Erbrechen vs. nicht-acidifizierte Formeln (Details variieren). Review/Einordnung 2013; Evidenzübersichtsartikel 2014. 6, 7

  • Sicherheit: Fermentierte/acidifizierte Formeln & D-LaktatRandomisierte Sicherheitsstudie mit L. reuteri*haltiger Formel und Rapid Review: in gesunden Kindern keine klinisch relevanten D-Laktatazidosen; Vorsicht bei Kurzdarmsyndrom. 8, 9

  • Erwachsene: acidifizierte Milch vs. fermentierter Joghurt (Crossover-Intervention)erhöhtes Serum-L-Laktat nach acidifizierter Milch; Effekte beider Produkte ähnlich, was auf die Matrix/Acidifizierung als Treiber hindeutet. Nutrients 2022. 10

Zum Isomer („rechts“ vs. „links“)

  • In Sauerteigen überwiegt meist L-Milchsäure gegenüber D-Milchsäure (Anteil abhängig von Startkulturen/Prozess). Das stützt, dass laktatreiche Sauerteigprodukte überwiegend Rechtsmilchsäure liefern. 11

  • Bei acidifizierten Säuglingsformeln wird (je nach Produkt/Region) explizit L(+)-Milchsäure zur pH-Absenkung eingesetzt (chemisch acidifiziert) – viele klinische Arbeiten nennen allerdings nicht immer den Isomeranteil. 6

Mechanistische/indirekte Evidenz (nicht: direkte L(+)-Gabe)

  • Lactulose (kein Laktat, aber im Kolon zu Milchsäure/SCFA fermentiert) ansäuert den Darminhalt; dadurch Ammoniak-„Trapping“ (NH₃→NH₄⁺) – etablierter Mechanismus in der HE-Therapie. Das stützt das Prinzip „Säuerung des Kolons = weniger Ammoniak-Resorption“. (Indirekte Parallele, keine direkte L(+)-Gabe.) 12, 13

Sicherheit & praktische Hinweise

  • Kurz­darm/organische Azidosen: Bei strukturellen Darmerkrankungen gab es historische Berichte zu D-Laktatazidose unter stark d-laktathaltiger Kost/Probiotika; in gesunden Säuglingen/Kindern kein klinisch relevantes Risiko gezeigt. 9

  • Reizbarkeit des GI-Trakts: Orales Natriumlaktat verursachte in einer Pilotserie häufig GI-Beschwerden; daher bei isolierten Laktat-Salzen Vorsicht mit Dosis/Form. 3

Fazit

Direkte Humanstudien mit isolierter L(+)-Milchsäure sind rar; die beste Evidenz zur inneren Anwendung stammt derzeit aus laktatreichen Lebensmitteln (z. B. Sauerteigbrot) mit akuten Effekten auf Sättigung/Magenentleerung, aus acidifizierten Milchprodukten/Formeln (historisch: Infektions-/GI-Outcomes) und aus oralen Laktat-Gaben (hormonal/motilitätsbezogen, jedoch teils GI-limitiert). 2, 7


  1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35016146/ ↩︎

  2. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39807361/ ↩︎

  3. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39262340/ ↩︎

  4. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11357576/ ↩︎

  5. https://www.mdpi.com/2411-5142/9/3/139 ↩︎

  6. https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/20786204.2013.10874376 ↩︎

  7. https://www.mdpi.com/2072-6643/6/9/3942 ↩︎

  8. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3999946/ ↩︎

  9. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29603358/ ↩︎

  10. https://www.mdpi.com/2072-6643/14/22/4794 ↩︎

  11. https://www.frontiersin.org/journals/microbiology/articles/10.3389/fmicb.2020.01212/full ↩︎

  12. https://www.aasld.org/liver-fellow-network/core-series/why-series/why-do-we-use-lactulose-and-rifaximin-hepatic ↩︎

  13. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10578757/ ↩︎

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